Don Giovanni und sein Regisseur
Kitschige Inszenierungen? Gehen für Matias Tosi gar nicht. Also: „Machen wir Don Giovanni zu einem Tatort-Krimi!“
Am Freitag, 2. August, fällt um 20 Uhr der Startschuss zur zweiten großen Produktion der diesjährigen Zwingenberger Schlossfestspiele, der Mozart-Oper „Don Giovanni“. Regie führt dabei Bass-Bariton Matias Tosi, der auch in der Rolle des Dieners „Leporello“ im Stück über den wohl berühmtesten Frauenhelden der Operngeschichte auf der Bühne stehen wird.
- Sie sind Tänzer, Schauspieler, Sänger… Wie sind Sie zur Oper gekommen?
Matias Tosi: In meiner Heimat Argentinien war ich als junger Mann Tango-Tänzer und wollte auch Tango-Sänger werden. Mein Gesangslehrer ermutigte mich damals, Opernsänger zu werden. Also nahm ich ein Gesangsstudium auf, zunächst in Buenos Aires, später dann an der Musikhochschule in München.
- Und wie kamen Sie zur Regie?
Ich bin mehrmals in Notfällen eingesprungen, als die jeweiligen Regisseure ausgefallen waren. Bei vielen Produktionen habe ich auch die Regie unterstützt. Und 2019 habe ich dann „Figaros Hochzeit“ hier in Zwingenberg inszeniert. Mein Interesse an der Regiearbeit kommt aus dem Bedürfnis, den Spagat zu schaffen zwischen einem publikumsbekömmlichen Stück und einem Stück, das den Akteuren Spaß macht. Voraussetzung ist eine sehr gründliche Vorbereitung und ein guter Umgang mit den Menschen um mich herum. Ich möchte die Leute glücklich machen. Und ich tanke meine Kraft aus jedem lächelnden Gesicht.
- Sie sind jetzt schon zum dritten Mal in Zwingenberg dabei. Warum?
Zwingenberg hat einen Zauber: die Landschaft und das unglaublich tolle Miteinander – das ist hier sowas wie eine Familie. Ich verlasse Zwingenberg nie ganz, bleibe auch in Jahren, in denen ich nicht hier sein kann, in Kontakt mit der Leitung, gebe meinen Senf zu den neuen Produktionen, empfehle Sänger etc. Das geht übrigens vielen, die einmal hier waren, ähnlich. Sie bleiben im Schatten, und viele kommen irgendwann wieder.
- 2019 Figaros Hochzeit, jetzt Don Giovanni – sind Sie auf Mozart spezialisiert?
Ja, das kann man so sagen. Um mein Temperament zu zähmen, sagte einmal ein Gesangslehrer zu mir: „Solange du nicht Mozart perfekt singen kannst, brauchst du mit keinem anderen Komponisten anzufangen.“ Mozart ist, wie es für einen Koch ist, mit wenigen Zutaten etwas Köstliches zu kreieren. Mozart hat keine Geschmacksverstärker, das ist Musik pur. Ich habe in Opern wie „Carmen“, „La Boheme“ oder „Macbeth“ gesungen. Und in allen Mozart-Opern außer der „Entführung aus dem Serail“.
- Sie haben schon viele Male sowohl in der Rolle des Don Giovanni als auch in der des Leporello auf der Bühne gestanden. Was gefällt Ihnen besonders an Leporello?
Er ist der, der in der Oper mit ihren eher düsteren Themen wie Machtmissbrauch, sexuelle Diskriminierung oder soziale Ungleichheit für die Komik sorgt. Und er spielt sich stets in den Hintergrund, gerät dabei aber immer in den Vordergrund. Er kann es gar nicht vermeiden, Publikumsliebling zu werden. Je mehr er sich in der Oper unbeliebt macht, desto mehr mögen ihn die Zuschauer.
- Sie führen Regie und haben eine Hauptrolle in der Oper. Wie bekommt man das unter einen Hut?
Ich kenne den Leporello ja in- und auswendig. Da ich mich um ihn also nicht kümmern muss, kann ich mehr Zeit auf die Rollenporträts der anderen Mitwirkenden verwenden. Ich habe mir viele Gedanken gemacht zu meiner Regie. Die Ideen dazu kommen nicht zuletzt aus den bei anderen Inszenierungen entstandenen Sehnsüchten, aus dem, was mir in der Oper woanders gefehlt hat. Bei uns in Zwingenberg ist Donna Elvira eine starke Frau. Zerlina ist kein Dummchen. Und Masetto ist kein plumper Bauer; das ist vielmehr der Typ mit der Werkstatt im Keller, wie wir ihn aus der Nachbarschaft kennen, einer, der alles kann.
- Verraten Sie uns noch ein paar Details aus Ihrem Konzept?
Unser Don Giovanni wird frei von Mystizismen sein. Der Komtur erlebt bei uns keine Auferstehung und zieht Don Giovanni nicht in die Hölle. Don Giovanni erfährt vielmehr die Rache der gesamten Gesellschaft, aus allen Klassen. Er muss eliminiert werden. Wie? Wir werden sehen. Ein wichtiger Tipp noch für die Zuschauer (grinst): Sie sollten vor der Vorstellung Dehnübungen machen, denn sie werden sich viel umdrehen müssen. Es wird eine 360-Grad-Inszenierung geben: überall im Schlosshof passiert etwas.
Barbara Nolten-Casado – 28. Juli 2024
Quelle: Rhein-Neckar-Zeitung – herzlichen Dank!